Wie jede Woche Dienstag- und Donnerstagabend genießen wir eine besondere Geräuschkulisse. Unter einem Vordach zwischen den Hochhäusern findet eine Art Gottesdienst statt. Es sind etwa 20 Stühle aufgestellt von denen nur wenige besetzt sind. Und dann beginnt die Predigt. Das heißt ein Prediger läuft laut schreiend hin und her, manchmal steigert sich das Geschrei und manchmal stimmen die Zuhörer mit ein. Er hat eine gute Kondition, das Ganze geht 50 bis 70 Minuten so. Zu Anfang gab es Reaktionen der Nachbarn, die mit Fantrompeten einen Gegenlärm veranstalteten, aber nachdem zumindest die Lautsprecherboxen ausgestellt wurden haben sie sich scheinbar damit abgefunden.
Ich sitze in unserem Wohnzimmer und frage mich: wer erträgt dieses Geschrei eigentlich, warum tut er das. Glaubt der Prediger dass Gott schwerhörig ist oder seine Zuhörer? Weiß er denn nicht, dass Gott sogar unsere stillen Gebete hört? Ob ich ihm das einmal sagen sollte?
Der Prediger hat einige Vorbilder die es hier in Brasilien weit gebracht haben, d.h. die durch ihre Predigten reich geworden sind. Auch sie treten stimmgewaltig auf und es gelingt ihnen, dass leichtgläubige, suchende, verzweifelte Menschen ihr letztes Geld geben in der Hoffnung einen besonderen Segen zu bekommen oder dass ihre Probleme verschwinden und auch sie so gesegnet werden mit Reichtum wie es diese Pastoren erlebt haben. So wie der Pastor den wir zufällig im Radio hörten, wo es eine Reihe religiöser und pseudoreligiöser Programme gibt. Er forderte mit eindringlicher Stimme die Zuhörer auf, für ihre Familie einen Segen zu kaufen, für 110 Reais pro Person, schließlich sei das das Beste, was man für seine Kinder tun könne, nur 110 Reais. Das ist für viele sehr viel Geld, die staatliche Unterstützung "Bolsa Familia" liegt bei 250 RS im Monat.
Diese Art der Verkündigung und des Missbrauchs von Gottes Wort führt dazu dass viele von der Bibel und der frohen Botschaft nichts mehr wissen wollen und keinen Unterschied machen zwischen echter Verkündigung und den Geschäftemachern. Brasilien mit seinen riesigen sozialen Problemen braucht Christusnachfolger, die Nächstenliebe ganz praktisch leben, die authentisch sind.